Blind auf dem Winter-Dom in Hamburg? Erfahrungsbericht eines blinden Kirmes-Fans

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Christian Ohrens Break Dance Winter-Dom Hamburg 2017
Bildquelle: Christian Ohrens für Parkerlebnis.de
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Als Blinder auf dem Winter-Dom in Hamburg - wo ist Fahrspaß garantiert, wo gibt es Probleme? Christian Ohrens hat sich ins Treiben gewagt - und eine für ihn ganz neue Art von Attraktion getestet. Ein Erfahrungsbericht.

Als blinder Kirmes-Fan einen Jahrmarkt zu besuchen und die dortigen Angebote und Attraktionen zu nutzen ist, so konnte ich in einigen Tests bereits feststellen, meist mit großem Erfolg gekrönt. Mit sehr viel Engagement und Hilfsbereitschaft treten die verschiedenen Schausteller dem Fahrtwunsch eines blinden Gastes gegenüber – anders, als in manch deutschem Freizeitpark, in dem oftmals einem blinden Parkbesucher häufig sogar die Mitfahrt in sehender Begleitung vorenthalten bleibt.

Bereits zum dritten Mal, nach Sommer– und Frühlings-Dom, testete ich an einem Mittwoch im November dem Hamburger Winter-Dom. Der „Dom“, das ist die größte Kirmes im Norden und findet insgesamt dreimal im Jahr statt. Auch wenn es inzwischen viele Stammbeschicker unter den Schaustellern gibt, hat der diesjährige Winterdom ein paar neue, in puncto Fahrgeschäfte eher seltene Gäste zu bieten. Eine erneute Bestandsaufnahme lohnte sich also.

Der Besuch fand am so genannten „Familientag“ statt; ein voller Kirmesplatz war, trotz der kälteren Temperaturen, somit gegeben.

Anreise zum Winterdom als Blinder

Die Kirmes findet immer auf dem Heiligengeistfeld statt und ist somit bestens an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden. Zu erreichen ist der Festplatz mit der U-Bahn-Linie U3, entweder bis Feldstraße oder Sankt Pauli, alternativ hält auch die Metrobuslinie 3 direkt am Festgelände. Eine Anreise, selbst ohne große Ortskenntnis, gestaltet sich so sehr einfach.

Orientierung auf dem Domgelände

Ein Hauptweg führt zwischen Buden und Fahrgeschäften hindurch und es gibt kaum Abzweigungen oder Möglichkeiten einer Abkürzung. Es ist somit möglich, ohne Weiteres sich an den Buden und Attraktionen quasi entlangzuhangeln. Viele Karussells erkennt man schon durch die laute Musik, die Akustik, die Fahrgeräusche oder auch die Rekommandation (Moderation) und kann sich allein hieran schon gut orientieren. Den Rest muss man einfach erfragen. Man sollte jedoch auch ein wenig Geduld mitbringen, falls aufgrund der Lautstärke der erste Dombesucher nicht sogleich reagiert und weiterläuft.

Die einzelnen Attraktionen im Test

Dom Dancer (Break Dance 1), Rüth:
Inzwischen eine Institution auf dem Hamburger Dom ist Rüths Break Dancer No. 1. Break Dancer sind ja für den schnellen Fahrgastwechsel und das rasante Tempo, in dem sich dieser Wechsel vollzieht, bekannt. Es bedurfte bei meinem diesjährigen Testbesuch zweier Aufseher, um mir eine Gondel freizuhalten und um mich auf die Plattform zur Gondel zu führen. Am Ende der Fahrt wurde ich auch dieses Mal wieder von einem Angestellten zurück auf den Hauptweg gebracht – Testfahrt Nr. 1 für diesen Tag war somit ein voller Erfolg.

Propeller (Inversion XXL), Ordelman:
Dass sprachliche Barrieren nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium für Hilfe sein müssen, bewies diese Testfahrt. An der Kasse angelangt, fragte ich nach dem Ticketkauf auch hier, ob mir jemand beim Einstieg behilflich sein könnte. Der Kassierer meinte, dies sei kein Problem, jedoch spräche sein Mitarbeiter kaum Deutsch. Jedoch stellte dies kein Problem dar, denn Richtungsangaben wie „rechts“ oder „links“ sind auch im Niederländischen gleich und so gelangte ich ohne Probleme zu einem freien Platz. Nach meiner ersten Fahrt im Propeller in schwindelerregenden 40 Metern Flughöhe wurde ich unten bereits erwartet und zurück zur Kasse geführt. Ob denn alles in Ordnung gewesen sei und mir die Fahrt gefallen hätte, fragte der Kassierer – dies konnte ich mit einem klaren „Ja“ beantworten!

Big Spin (Smashing Jump), Deinert:
Nach diesem adrenalingeladenen Höhenflug stand mir der Sinn nach etwas „ruhigerem“ und so testete ich das Familienfahrgeschäft „Big Spin“. Auch hier war mir das Personal beim Ein- beziehungsweise Ausstieg behilflich und es gab keinerlei Schwierigkeiten.

Alpen Coaster (Wildcat, mittlere Version), Vorlop:
Mit Achterbahnen ist es manchmal so eine Sache. Auch wenn das Gros der Kirmesfahrgeschäfte als Blinder genutzt werden kann, so gab es in der Vergangenheit bei einigen Achterbahnen zu kleineren Diskussionen bezüglich einer Begleitperson. Nicht so bei einer der Kirmesneuheiten des Jahres. Ohne Nachfragen hinsichtlich Begleitung oder dergleichen wurde ich hier zu einem freien Wagen beziehungsweise am Fahrtende wieder nach draußen gebracht.

Vorlops neueste Achterbahn war zuvor übrigens rund 25 Jahre im Schwaben-Park aufgebaut gewesen, bevor der Schausteller sie aufgekauft und aufwendig restauriert und thematisiert hat. Die Fahrt ähnelt ein wenig an die ebenfalls auf dem Dom vorhandene „Wilde Maus“, jedoch in etwas abgeschwächter Form.

Best XXL Exclusive (XXL), Zinnecker:
Wieder hoch hinaus ging es mit dieser reisenden XXL-Schaukel. Nach einem Besitzerwechsel tourt nun Familie Zinnecker mit ihr durch die Lande. Wie auch schon beim Ersttest auf dem Stuttgarter Volksfest im vergangenen Jahr, verlief auch diese Testfahrt reibungslos und die Hilfsbereitschaft des Personals stand der bei der Erstfahrt in nichts nach.

Break Dancer No. 2, Dreher:
Großartige Hilfsbereitschaft erlebte ich auch bei diesem Fahrgeschäft beziehungsweise bei dieser Bremer Schaustellerfamilie. Nicht nur, dass mir, wie auch bei allen anderen Testfahrten, eine freie Gondel gezeigt und ich am Fahrtende wieder von der Plattform geführt wurde, man bot mir auch an, mir zum Filmen einen guten Platz auf der unteren Plattform zu zeigen, wo mich niemand „über den Haufen rennen“ könnte – eine sehr nette Geste.

Flipper, Meeß:
Ein weiterer Karussellklassiker stand auf dem Testprogramm. Und die Erfolgsserie dieses Testtages setzte sich auch bei diesem Fahrgeschäft fort.

Crazy Wave (Scheibenwischer), Rasch:
Auch bei dieser Attraktion stand mir das Personal helfend zur Seite, wobei die Angaben, ob und wann eine Stufe beziehungsweise der freie Sitzplatz kamen, von der Rekommandeurin für jedermann hörbar über die Boxen gingen; so was erlebt man auch selten. Ob den anderen Dombesuchern dieses Karussell nicht adrenalingeladen genug oder die Angst, angesichts der Kälte beim „Becherspiel“ (drei Fahrgäste müssen mit dem Mund einen mit Wasser gefüllten Becher festhalten, bei wem der Becher am Ende am vollsten ist, der bekommt eine Freifahrt) nassgespritzt zu werden war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall waren mit mir nur zwei weitere Passagiere an Bord und wir alle drei hatten am Ende Schwierigkeiten, Wasser im Becher zu behalten.

Eclipse (Mondial Capriolo), Korten:
Zum Abschluss dieses Testbesuchs ging es mit Kortens „Eclipse“ aus Holland noch einmal hoch hinaus. Auch wenn der Mitarbeiter zuerst nicht so recht wusste, was er mit mir anfangen und wie er mit mir umgehen sollte, klare und strikte Anweisungen seines Kollegen hinter der Kasse sorgten am Ende dafür, dass auch diese Testfahrt eigentlich bestens verlief – die Gewichtsverteilung in den Gondeln war etwas ungünstig und so hing ich teilweise recht lang überkopf im Bügel; bei einer Flughöhe von 45 Metern kann einem da schon etwas mulmig werden.

Glasirrgarten, Schau:
Ein bislang ungetesteter, wenn auch großer Bestandteil einer jeden Großkirmes, sind die sogenannten Laufgeschäfte. Ob Gruselkabinett, Hindernisparcours oder Spiegellabyrinth: man findet sie in vielfachen Variationen – so auch auf dem Winterdom. Als „Einstieg“ in dieses bislang ungetestete Terrain habe ich mich für das Spiegellabyrinth „Glasirrgarten“ entschieden. Der interessante Testbesuch verlief – im wahrsten Sinn des Wortes – reibungslos. Beim Auffinden des Einganges war mir ein anderer Domgast behilflich, welcher, so stellte sich heraus, ebenfalls dem Irrgarten einen Besuch abstatten wollte und mich kurzerhand mit ins Ungewisse nahm. Die sehenden Besucher erhalten auf Wunsch beim Eingang 3D-Brillen. Beim Hineingehen wunderte ich mich bereits über das teils laute Gepolter. Beim näheren Erkunden des Labyrinths wurde mir jedoch schnell klar, dass es die sehenden Gäste waren, die beim Vorwärtslaufen die nächste Spiegelwand nicht gesehen haben.

Christian Ohrens Glasirrgarten auf dem Dom in Hamburg 2017

Der „Glasirrgarten“ war eine ganz neue Erfahrung. (Foto: Christian Ohrens für Parkerlebnis.de)

Nun könnte man meinen, dass es ein blinder Gast „einfacher“ in so einem Labyrinth haben könnte, weil er sich eben nicht durch Spiegel(effekte) ablenken lässt. Jedoch war das Hinausfinden auch für mich nicht so einfach. Selbst, wenn man sich an der Musik aus dem Eingangsbereich und dem Lärm von draußen orientiert, den erstbesten Weg nach draußen habe ich dennoch auf Anhieb nicht gefunden. Ich wäre jedoch so oder so am Ende wieder draußen gelandet, einer der Aufseher verscheuchte beim Betreten der Anlage nämlich ein paar Schaulustige von ihren Plätzen mit den Worten, er bräuchte den Platz, müsse er mich doch im Auge behalten.

Fazit: Großartige Hilfsbereitschaft!

Bei meinem Testbesuch des Hamburger Winterdoms 2017 testete ich insgesamt neun Fahr- sowie ein Laufgeschäft. Bei allen Attraktionen erlebte ich auf dieses Mal eine vorbildliche Hilfsbereitschaft. Es kam bei keinem Fahrgeschäft zu unnötigen Diskussionen bezüglich einer Mitfahrt, eine Begleitperson wurde hier ebenso nicht vorausgesetzt.

Aber nicht nur das Engagement der Schausteller sei an dieser Stelle hervorgehoben. An diesem Mittwoch waren auch sehr viele Kinder mit ihren Eltern sowie Jugendliche auf dem Dom unterwegs. Auch hier erlebte ich eine großartige Hilfsbereitschaft, sei es beim Erkundigen, an welchem Punkt beziehungsweise an welchem Fahrgeschäft ich mich befinde, beim Auffinden des Kassenhäuschens oder die Hinweise, in welche Richtung ich weiter laufen könnte. Auch an euch ein großes Dankeschön, denn so was – was sich heutzutage eigentlich für selbst verstehen sollte – ist bei Weitem noch keine Selbstverständlichkeit.

Ein Artikel von Christian Ohrens, freier Journalist und blinder Web- und Videoblogger aus Hamburg. Weiter Informationen zu Christian erhaltet ihr auf seiner Homepage und auf seinem YouTube-Kanal.

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