Als Blinder im Freizeit-Land Geiselwind: Wie gut ist das Erlebnis nach dem Inhaberwechsel?

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Freizeit-Land Geiselwind Luftaufnahme 2019
Bildquelle: Thomas Frank, Parkerlebnis.de
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Als Blinder Freizeitparks erleben ist nicht überall und uneingeschränkt möglich. Wie verhält es sich im Freizeit-Land Geiselwind nach dem Eigentümerwechsel? Der Nachtest des blinden Freizeitpark-Fans Christian Ohrens verrät es.

Wer als Mensch mit Behinderung hierzulande einen Freizeitpark nicht nur besuchen, sondern auch in vollem Umfang erleben möchte, stößt in den meisten Parks auf Einschränkungen, bis hin zu kompletten Nutzungs- und Fahrtverboten. Dies fängt meist schon bei blinden und/oder sehbehinderten Menschen an, denen häufig eine Mitfahrt, ob nun begleitet oder nicht, verwehrt wird.

Eine der großen Ausnahmen in der hiesigen Freizeitpark-Landschaft war bei unserem 2015er Testbesuch das Freizeit-Land Geiselwind, in dem ich alle Attraktionen ohne Einschränkungen nutzen konnte. Nach einem Inhaberwechsel und nach der Erweiterung des Parks durch neue Attraktionen wollte ich wissen, wie es nun um die Nutzbarkeit bestellt ist – hat sich in puncto Hilfsbereitschaft und Zugänglichkeit für blinde Parkgäste etwas verändert? Oder wird der Park bei einer erneuten Testung sein gutes Ergebnis aus 2015 halten können?

Hinweis: Der Besuch erfolgte bereits im September 2018. Zum Saisonstart 2019 sind erneut weitere Attraktionen hinzugekommen beziehungsweise wurden einige bestehende Fahrgeschäfte und Themenbereiche überarbeitet. Die neuen Fahrgeschäfte wurden in diesem Test noch nicht berücksichtigt.

Anreise zum Freizeit-Land Geiselwind als Blinder

Das Freizeit-Land Geiselwind ist mit dem öffentlichen Nahverkehr sehr schlecht zu erreichen. Busse verkehren nur zu sehr ungünstigen Zeiten, sodass eine Fahrt mit dem Taxi vom nächstgelegenen Bahnhof in Kitzingen – etwa 32 Kilometer entfernt – unausweichlich ist. Wer kann, sollte sich bestenfalls privat eine Fahrt organisieren.

Einlass als Blinder ins Freizeit-Land Geiselwind

Am Parkeingang angekommen, kaufte ich mir an der Kasse mein Ticket für den Park und erhielt auch dieses Mal wieder einige wichtige Infos, wo ich in der näheren Umgebung welche Attraktion finden könne. Dass ich wieder ohne sehende Begleitung unterwegs war, wurde hier nicht groß thematisiert.

Orientierung als Blinder ins Freizeit-Land Geiselwind

Eine Orientierung mit Hilfe des Personals oder anderer Gäste ist sehr gut machbar. Oftmals liegen nämlich die verschiedenen Fahrgeschäfte nicht weit voneinander entfernt, so dass man durchaus auch das Aufsichtspersonal bitten kann, einem die grobe Richtung zur nächsten Attraktion zu zeigen. Falls dies mal nicht klappte, halfen andere Parkbesucher bereitwillig weiter.

Ferner ist die musikalische Begleitung beziehungsweise Untermalung vieler Attraktionen bei der Orientierung sehr hilfreich. Vor allem die – nennen wir sie – Kirmesfahrgeschäfte wie dem Freifall-Turm oder Break-Dance waren sehr gut durch die laufende Musik auffindbar.

Die einzelnen Fahrgeschäfte im Test

Vulcano (vormals T-Rex-Tower; Shot’n’Drop):
Gleich die erste Fahrt mit einem Freefall-Tower ging hoch hinaus. Als Besonderheit bei diesem Turm – wo man bei ähnlichen Anlagen nur fallen gelassen wird, können die Fahrgäste hier auch in die Luft katapultiert werden, was noch mal einen ganz besonderen Nervenkitzel verspricht. Bei meiner Testfahrt waren mir das Personal sowie andere Parkgäste, denen ich während meines Testaufenthalts noch des Öfteren begegnen sollte, beim Einstieg bzw. Verlassen der Anlage behilflich.

Flugmaschine (vormals Ikarus; Huss Condor):
Ebenfalls etwas höher hinaus ging es mit dieser Attraktion. Das Personal schien nicht richtig auf mich aufmerksam geworden zu sein, so zumindest mein Eindruck. Denn auch hier waren mir die eben schon erwähnte Gruppe Parkgäste behilflich, eine freie „Flugmaschine“ zu finden. Wie sich herausstellte, war an diesem Tag eine Schule mit einer größeren Gruppe anwesend, denen ich regelmäßig bei meinem Rundgang begegnete und die mir jedes Mal bereitwillig weiterhalfen; so auch bei der nächsten Attraktion.

Boomerang (Vekoma Boomerang-Achterbahn):
Eines der Highlights des Freizeit-Land ist definitiv dieser, in Deutschland einzigartige Coaster, der vom Fahrtablauf seinem Namen alle Ehre macht. Auch bei dieser rasanten Attraktion stand mir das Aufsichtspersonal helfend zur Seite und führte mich nach beendeter Fahrt wieder nach draußen.

Piratenschleuder (vormals Break-Dance; Huss Break-Dance):
Auch hier waren vor allem andere Gäste beim Finden einer freien Gondel behilflich. Auch nach Fahrtende wurde ich von ihnen von der Plattform geführt und ein Stück weit zur nächsten Attraktion begleitet.

Fränkische Weinfahrt (Tassen-Karussell):
Bei dieser Attraktion waren mir ebenfalls andere Gäste behilflich. Da der Operator wohl gesehen hatte, dass ich in Begleitung die Plattform betrat, blieb er an seinem Platz stehen und überließ es den anderen, mich nach Fahrtende auch wieder auf den Weg zurück zu führen.

Freizeit-Land Geiselwind - Fränkische Weinfahrt

Ein klassisches Tassen-Karussell mit Frankenwein-Thematisierung. (Foto: Thomas Frank, Parkerlebnis.de)

Blauer Enzian (Mack Rides Powered-Coaster):
Bei dieser Testfahrt war es wieder das Personal, das mir bereitwillig seine Hilfe beim Betreten der Anlage anbot, welche ich auch dankend annahm. Nach Fahrtende wurde mir dann noch grob der Weg zum Ausgang gezeigt.

Doggy Dog (Familien-Achterbahn; SBF-Visa MX48/D):
Einer der Neuzugänge im Freizeit-Land ist „Doggy Dog“, welche zuvor unter Schausteller Zinnecker die Kirmesplätze, vor allem im Süddeutschen Raum, bereiste. Zwar eher für Kinder und Familien ausgelegt, war sie dennoch eine Testfahrt wert, auch wenn ich mir, gemeinsam mit einem weiteren Gast, als einzige Fahrgäste schon komisch vorkam. Der Gast war es übrigens auch, der mir sowohl den Ein- als auch Ausgang zeigte.

Cobra Coaster (Looping-Achterbahn; Interpark Wild Wind):
Ebenfalls eine ehemalige Kirmesattraktion des Schaustellers Agtsch galt es zu testen. Streng genommen war dies sogar bereits die zweite Testfahrt mit dieser Bahn, denn 2015 konnte ich sie bereits im Rahmen meines Oktoberfest-Testbesuchs fahren. Aber auch die Testfahrt im stationären Betrieb verlief ohne nennenswerte Probleme, Dank des Personals.

Around the World (Kettenflieger):
Ein Klassiker unter den Fahrgeschäften, nicht nur bei jüngeren Besuchern. Die Aufsicht führte mich zu einem freien Platz und versicherte mir, mich nach Fahrtende auch wieder abzuholen – was am Ende natürlich auch geschah.

Horror-Lazarett (Durchlauf-Themenhaus):
Wer das Gruseln und Fürchten lernen will, dem kann geholfen werden! Auch diese Attraktion bereiste vor ihrem Aufbau im Freizeit-Land deutsche Rummelplätze, wurde von uns aber bislang noch keinem Testlauf unterzogen – im wortwörtlichen Sinne, denn bei dieser Attraktion handelt es sich nämlich um ein Laufgeschäft. Zwar beruhen Gruseleffekte in solchen Bahnen und Attraktionen sehr häufig auf visuellen Reizen, wenn man sich jedoch stark auf die Geräusche konzentriert und sich vorsichtig durch die Räumlichkeiten tastet, kann einem eine hochschnellende, schreiende Figur schon erschrecken – Ziel erreicht, würde ich sagen. Vor Betreten der Attraktion wurde ich darauf hingewiesen, vorsichtig zu sein, da durchaus beim Anfassen einiger Requisiten Verletzungsgefahr bestünde und es besser wäre, wenn jemand mit mir durchlaufen könnte. Dieser „Jemand“ fand sich auch in Form eines anderen Gastes, der das Lazarett ebenfalls aufsuchen wollte.

Jungle Drop (Familien-Freifallturm; SBF Visa Drop Tower):
Zum Abschluss meines zweiten Testbesuchs stand noch eine Fahrt mit dem kleinen Bruder des „Vulcano“ an. Eingebettet in entsprechender Kulisse richtet sich der „Jungle Drop“ eher an jüngere Parkgäste. Die Fahrt mit diesem kleinen Tower verlief ebenfalls ohne Schwierigkeiten und Diskussionen, so wie es eigentlich überall in Deutschen Parks Standard sein sollte.

Fazit: Nachtestung erfolgreich!

Auch nach einem Inhaberwechsel konnte das Freizeit-Land Geiselwind sein gutes Ergebnis aus 2015 bestätigen. Zwar war scheinbar nicht immer ein Operator zur Stelle, der mir hätte weiterhelfen können. Dies mag jedoch auch mit der ausnahmslosen Hilfsbereitschaft einiger Schüler zusammenhängen, die mir sehr engagiert zur Seite standen und mir bei einzelnen Attraktionen weiterhalfen beziehungsweise mich auch zum nächsten Fahrgeschäft begleiteten. Da es uns um die Nutzbarkeit ohne Begleitperson geht und diese (fast) vollends erfüllt wurde, darf dem Freizeit-Land wieder ein gutes Testergebnis attestiert werden. Dass beim „Horror-Lazarett“ vom Aufseher eine sehende Begleitung empfohlen wurde, werte ich nicht negativ, die geäußerten Sicherheitsbedenken waren hier nachvollziehbar, anders als bei vielen über-behüteten Ausschluss-Argumentationen anderer Parks.

Doch warum kann solch ein Freizeitpark-Test in diesem Fall so gut, in anderen Fällen jedoch katastrophal negativ ausfallen? Denn Achterbahnen, Freifalltürme und dergleichen sind ja in vielen solcher Parks zu finden. Ist die Handhabe und Empfehlung der örtlichen Baubehörden beziehungsweise des TÜV so unterschiedlich?

Matthias Mölter, Inhaber des Freizeit-Lands, konnte in einem an den Testbesuch anschließenden Gespräch hierzu nur mutmaßen. Es gäbe klare Nutzungsempfehlungen seitens der Hersteller, zum Beispiel für schwangere Frauen, Epileptiker etc. Ein Ausschluss einer blinden Person sei in den Bedienungs- und Nutzungshinweisen der jeweiligen Hersteller nicht zu finden. Und auch bei der Abnahme durch TÜV und Baubehörde seien ihm hier keinerlei Einschränkungen gemacht worden. Er verstehe schon die Problematik, dass viele nicht wissen, was bei einer Fahrt auf sie zukommt, welche Kräfte einwirken und dass viele Betreiber, vor allem von größeren Freizeitparks, dann lieber auf 100-prozentige Sicherheit setzen und jemanden lieber nicht mitfahren lassen, obwohl er es körperlich könnte und es bislang auch noch keine Vorfälle mit dieser Personengruppe gab.

Doch lassen es viele, das konnten wir ja bereits klar durch unsere Tests belegen, von vornherein gar nicht erst zu, dass überhaupt erst mal Erfahrungen (zum Beispiel mit blinden Gästen ohne Begleitung) gesammelt werden. Ein aus Sicht der Betreiber guter Ausschlussgrund ist ja die Evakuierung eines Fahrgeschäfts. Der Gast muss, so kann man es vielerorts nachlesen, in der Lage sein, aus eigener Kraft die Anlage zu verlassen. Interessanterweise wird in diesem Zusammenhang Sehenden aufgrund ihres Sehvermögens immer mehr Besonnenheit und Agilität zugemutet als einem volljährigen Blinden – sprich, wer sieht, weiß sich automatisch auch gleich zu helfen. Mölter sieht dies etwas kritischer: Wenn sich bei einer Evakuierung ein Gast in der Bahn befindet, der schnell panisch wird, spielt es auf 50, 60, 80 Metern Höhe keine Rolle mehr, ob er sieht oder nicht. Er muss genauso hinunterbegleitet werden, wie ein blinder Fahrgast in so einem Falle auch. Ein Handlauf und eine Treppenstufe erkennt zudem auch jeder Blinde, wenn man es ihm vorher zeigt und weiß, dass es jetzt runter geht. Jeder Gast, egal ob alt, jung, übergewichtig oder eben mit einer Behinderung, kann in der Situation einer Notbergung „Probleme“ machen, da ist kaum eine Personengruppe von ausgeschlossen.

Auch wenn natürlich die Sicherheit aller Parkgäste an erster Stelle stehen sollte, machen diese zwei Denkansätze eines klar deutlich: So einfach, wie es sich leider viele Betreiber, Baubehörden und TÜV machen, verhält es sich nicht. Es lohnt immer, etwas differenzierter an die Sache heranzugehen. In Ausnahmesituationen wie eine Evakuierung reagiert auch der Sehende anders, als man es sich vorab in der Theorie ausmalt.

Siehe auch: Freie Fahrt, auch für Blinde: Warum Christian Ohrens Freizeitparks als Blinder testet – Interview

Schade nur, dass es vor allem eher die kleineren Parks sind, die sich über die sonstigen Gepflogenheiten der Großen hinwegsetzen und ihre ganz eigene, inklusivere Nutzungsstrategie fahren. Auch wenn einige vielleicht nur bedingt mit den Attraktionen der großen, namhaften Parks mithalten können, die Möglichkeit, als blinder Gast wirklich uneingeschränkt Bahnen fahren zu können, machen diese Sorte Parks nur umso attraktiver!

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